Immer wieder entbrennen Diskussionen um ein Provisionsverbot in der Anlageberatung. Ende 2022 hob die frühere EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness die provisionsbasierte Anlageberatung erneut auf den Prüfstand. Sie monierte, eine provisionsbasierte Beratung führe dazu, dass Kleinanlegern häufig teure oder unpassende Produkte verkauft würden. Außerdem habe die in der MiFID II geregelte Offenlegung der Kosten für Finanzprodukte nicht zu einer Verlagerung von der Provisions- zur Honorarberatung geführt.
Im Mai 2023 legte Mairead McGuinness ihre Vorschläge für eine Richtlinie zur Umsetzung der EU-Kleinanlegerstrategie vor. Zwar enthalten sie kein umfassendes Verbot der Provisionsberatung, aber ein Verbot im beratungsfreien Vertrieb. Allerdings stimmten EU-Parlament und Rat im Frühjahr 2024 gegen jegliches Provisionsverbot, auch gegen ein partielles.
Mit einem Provisionsverbot, auch mit einem partiellen, würde die Kommission ihre Ziele nicht erreichen und den Kleinanlegern schaden. Zum Beispiel würde ein Provisionsverbot im beratungsfreien Vertrieb dazu führen, dass die von den Vertrieben erbrachten Dienstleistungen wie die Ordererteilung separat bepreist werden. Das würde aber gerade Sparer mit kleinen Anlagebeträgen überproportional stark belasten.
Dennoch geht die Kommission davon aus, dass mit einem Provisionsverbot die Produktkosten sinken und dadurch die Rendite des Geldvermögens (Portfoliorendite) der Anleger steigt. Eine BVI-Studie, die Daten der Europäischen Zentralbank und der englischen Statistikbehörde auswertet, zeigt allerdings, dass diese Annahme nicht zutrifft: Ein Provisionsverbot führt nicht zu höheren Renditen für Privatanleger und verhindert sogar, dass diese sich stärker an den Kapitalmärkten beteiligen.
So hat das in England und in den Niederlanden vor rund zehn Jahren eingeführte Provisionsverbot keine Veränderung der Portfoliorendite bewirkt. Offenbar haben andere Effekte die geringeren Kosten der provisionsfreien Produkte ausgeglichen. Zum Beispiel werden Vertriebskosten durch ein Provisionsverbot typischerweise nicht reduziert, sondern nur gesondert gezahlt. Außerdem könnten sich durch eine Beratungslücke private Haushalte weniger an den Kapitalmärkten, zum Beispiel über Fonds, beteiligen. Damit würden ihnen Renditechancen entgehen.
Die BVI-Auswertung belegt, dass Privatanleger in England und den Niederlanden aufgrund des dortigen Provisionsverbots tatsächlich weniger in Fonds investieren. Der BVI beziffert diesen Rückgang auf im Schnitt knapp 340 Euro pro Jahr und Kopf. Bei Fonds verhindern also Verbote – nicht die Provisionsberatung – eine stärkere Beteiligung privater Anleger an den Kapitalmärkten. Das widerspricht allem, was die EU erreichen will.
Die Vorschläge für eine Kleinanlegerstrategie enthalten zudem zusätzliche Voraussetzungen für die Beratung und neue Transparenzpflichten, insbesondere zu den Kosten. Aber auch diese Maßnahmen schaden den Sparern. Denn sie fokussieren einseitig auf die Kosten. Das zeigt der neue Best-Interest-Test, der sicherstellen soll, dass Finanzberater im besten Interesse ihrer Kunden handeln. Er soll sich vor allem auf die Kosten beschränken, der Mehrwert eines Produktes für den Kunden spielt keine Rolle mehr.
Auch die Überlegungen der EU-Behörde ESMA für einen Value-for-Money-Test, der gewährleisten soll, dass Finanzprodukte den Anlegern einen angemessenen Gegenwert für ihre Kosten bieten, haben neben der historischen Wertentwicklung in erster Linie die Kosten im Blick. Diese einseitige Fixierung geht zu Lasten von Produktqualität und Innovation. Für Sparer sind die erwartete Rendite und die Qualität eines Produktes aber genauso wichtig wie die Gebühren.
Unterm Strich erreicht die EU-Kleinanlegerstrategie kein einziges wichtiges politisches Ziel – weder Kleinanleger an die Kapitalmärkte zu bringen noch den Anlegerschutz zu verbessern. Übrig bleibt nur zusätzliche Bürokratie für Anbieter, Aufsicht und Kunden. Alle reden von Bürokratieabbau, am besten wäre es, dieses Vorhaben wieder fallen zu lassen.