27.11.2024
Interview mit Bastian Hammer, Leiter Steuern und Altersvorsorge beim deutschen Fondsverband BVI
Viele Fondssparer werden Anfang 2025 eine Abbuchung mit dem Hinweis „Fondsbesteuerung“ auf ihrem Konto entdecken: Das ist die Steuerzahlung auf die sogenannte Vorabpauschale. Mit der Vorabpauschale, einem fiktiven steuerlichen Ertrag, will der Gesetzgeber sicherstellen, dass Fondsanleger jedes Jahr einen Mindestbetrag versteuern. Praktisch handelt es sich also um die vorweggenommene Besteuerung künftiger Wertsteigerungen von Fonds. Sie wird beim späteren Verkauf der Fondsanteile verrechnet.
Herr Hammer, wie funktioniert die Vorabpauschale?
Grundsätzlich zahlen Anleger auf Dividenden und sonstige Erträge, die ein Fonds ausschüttet, jährlich Kapitalertragsteuer und gegebenenfalls Kirchensteuer. Für Fonds, die diese Erträge nicht ausschütten, sondern im Sondervermögen belassen, unterstellt das Finanzamt einen fiktiven Ertrag, die sogenannte Vorabpauschale. Diese muss der Anleger versteuern. Berechnet wird die Vorabpauschale von den depotführenden Stellen: Sie multiplizieren den Rücknahmepreis eines Fonds zu Beginn des Kalenderjahres mit 70 Prozent eines Basiszinses. Den Basiszins leitet die Bundesbank immer zu Jahresbeginn aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von 15 Jahren ab. Für 2024 beträgt er 2,29 Prozent.
Das klingt kompliziert. Haben Sie ein Beispiel zur Berechnung der Vorabpauschale?
Nehmen Sie an, ein thesaurierender Aktienfonds hatte am 1. Januar 2024 einen Rücknahmewert von 100 Euro. Zu Beginn des Jahres 2025 berechnet die depotführende Stelle auf diesen Wert 70 Prozent von 2,29 Prozent. Daraus ergibt sich eine Vorabpauschale für 2024 von rund 1,60 Euro. Da es sich um einen Aktienfonds handelt, greift bei dieser Vorabpauschale die steuerliche Teilfreistellung in Höhe von 30 Prozent. Besteuert werden also nicht die vollen 1,60 Euro, sondern lediglich 1,12 Euro. Eine steuerliche Teilfreistellungen gibt es im Übrigen auch für Mischfonds und offene Immobilienfonds. Bei Mischfonds beträgt sie 15 Prozent, bei offenen Immobilienfonds je nach Anlageschwerpunkt 60 bzw. 80 Prozent. Die Teilfreistellung soll eine Doppelbesteuerung der Fondserträge vermeiden. Auf die Vorabpauschale unter Berücksichtigung der Teilfreistellung führt die depotführende Stelle in den ersten Wochen des Jahres 2025 Kapitalertragsteuer und gegebenenfalls Kirchensteuer an das Finanzamt ab.
Was passiert, wenn der Fonds Teilausschüttungen vornimmt, er also Dividenden und sonstige Erträge nicht vollständig im Fonds belässt?
Bei diesen Fonds werden die im Kalenderjahr gezahlten Teilausschüttungen von der Vorabpauschale abgezogen. Angenommen, der Aktienfonds in unserem Beispiel hat 1,00 Euro ausgeschüttet, auf die der Anleger Kapitalertragsteuer von 25 Prozent und ggf. Kirchensteuer zahlen muss. Damit reduziert sich die berechnete Vorabpauschale von 1,60 Euro auf 0,60 Euro. Unter Beachtung der Teilfreistellung muss der Anleger dann 0,42 Euro versteuern.
Muss der Anleger die Vorabpauschale auch dann versteuern, wenn die tatsächliche Wertsteigerung des Fonds im Kalenderjahr darunter liegt?
In diesem Fall muss er sie nicht vollständig versteuern. Denn die Vorabpauschale wird mit der tatsächlichen Wertentwicklung im Kalenderjahr verglichen. Ist die Vorabpauschale höher als die Wertentwicklung, wird sie auf die Wertentwicklung gekappt.
Wann ist die Steuer auf die Vorabpauschale fällig, und wird sie aus dem Fondsvermögen entnommen?
Als steuerlich zugeflossen gilt die Vorabpauschale am ersten Werktag des Folgejahres, in unserem Beispiel also am 2. Januar 2025. Es kann jedoch einige Zeit dauern, bis den Banken und Sparkassen alle Daten zur Verfügung stehen, und die Steuer auf die Vorabpauschale eingezogen wird. Diese wird im Übrigen nicht aus dem Fondsvermögen entnommen, sondern vom Verrechnungskonto des Anlegers abgebucht.
Wird die Vorabpauschale auf den Sparerpauschbetrag angerechnet?
Ja, liegen die gesamten jährlichen Kapitalerträge des Anlegers einschließlich der Vorabpauschale unter dem Sparerpauschbetrag von 1.000 Euro bzw. 2.000 Euro bei Verheirateten, zahlt er keine Steuern. Hat er den Sparerpauschbetrag jedoch ausgeschöpft, fallen auf die Vorabpauschale Kapitalertragsteuer und gegebenenfalls Kirchensteuer an.
Was passiert, wenn der Anleger den Fonds verkauft?
Beim Verkauf seiner Fondsanteile versteuert der Anleger den Veräußerungsgewinn. Damit eine Doppelbesteuerung vermieden wird, ziehen die depotführenden Stellen in Deutschland automatisch sämtliche vom Sparer bereits versteuerten Vorabpauschalen seit Kauf des Fonds vom Veräußerungsgewinn ab. Der Abzug der Vorabpauschale erfolgt vor der Anwendung der Teilfreistellung.
Und was ist, wenn der Veräußerungserlös niedriger ist als die Summe der Vorabpauschalen oder wenn der Anleger sogar einen Veräußerungsverlust realisiert?
Ist der erzielte Veräußerungsgewinn niedriger als die Summe der Vorabpauschalen, entsteht steuerrechtlich ein Veräußerungsverlust in Höhe der Differenz beider Beträge. Und sollte der Anleger bei Verkauf der Fondsanteile einen Verlust realisieren, erhöht der Abzug der Vorabpauschale den steuerrechtlichen Veräußerungsverlust. Dieser Veräußerungsverlust kann dann mit anderen Veräußerungsgewinnen verrechnet werden.
Die Fragen stellte Christiane Lang, Internetredaktion.