Die Vorabpauschale ist ein fiktiver steuerlicher Ertrag. Mit der Vorabpauschale will der Gesetzgeber sicherstellen, dass Fondsanleger über die Haltedauer jedes Jahr einen Mindestbetrag versteuern, auch wenn der Fonds keine oder nur geringe Ausschüttungen vornimmt. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, werden beim Verkauf der Fondsanteile sämtliche Vorabpauschalen vom tatsächlichen Veräußerungsgewinn abgezogen.
Der Gesetzgeber will auch bei nicht ausschüttenden (thesaurierenden) und teilausschüttenden Fonds sicherstellen, dass der Anleger einen Mindestbetrag versteuern muss. Deshalb müssen Anleger in diesen Fällen eine sogenannte Vorabpauschale versteuern. Für diese gelten die gleichen Teilfreistellungen wie für die Besteuerung von Ausschüttungen. Die Höhe des steuerfreien Anteils richtet sich auch hier nach der Art des Fonds.
Die Vorabpauschale ist die Differenz zwischen dem sogenannten Basisertrag des Fonds und der Ausschüttung. Sie wird von den depotführenden Stellen errechnet.
Diese ermitteln zunächst zu Beginn eines Kalenderjahrs (z. B. 1.1.2024) für das vorangegangene Kalenderjahr (2023) den Basisertrag nach der Formel:
Basisertrag = 70 % des jährl. Basiszinses x Rücknahmepreis der Fondsanteile zum Jahresbeginn des vorangegangenen Kalenderjahrs (z. B. 1.1.2023)
Dann ziehen sie vom Basisertrag die Ausschüttung des letzten Kalenderjahrs (z. B. in 2023) ab.
Vorabpauschale* = Basisertrag – Ausschüttung des letzten Kalenderjahres
*HINWEIS: Die Vorabpauschale kann niemals negativ werden.
Für thesaurierende Fonds und Fonds mit Teilausschüttungen ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse, die sich auf den Zeitpunkt der Steuerpflicht auswirken:
a) thesaurierende Fonds
Da diese Fonds nichts ausschütten, entspricht die Vorabpauschale eins zu eins dem Basisertrag (Beispiel: Basisertrag 5 - Ausschüttung 0 = Vorabpauschale 5). Die Vorabpauschale gilt am ersten Werktag des Folgejahres als steuerlich zugeflossen.
b) teilausschüttende Fonds
Ist die Teilausschüttung geringer als der Basisertrag (Beispiel: Basisertrag 5 – Teilausschüttung 2 = Vorabpauschale 3) muss der Anleger den ausgeschütteten Anteil und die Vorabpauschale zu unterschiedlichen Zeitpunkten versteuern: Die Teilausschüttung fließt dem Anleger aus steuerlicher Sicht zu, sobald er darüber verfügen kann. Die Vorabpauschale gilt dagegen erst am ersten Werktag des Folgejahres als zugeflossen. Da der Basisertrag gesetzlich gedeckelt ist, kann die Ausschüttung auch höher sein als der Basisertrag.
Der Basiszins leitet sich aus der langfristigen Rendite öffentlicher Anleihen ab. Er orientiert sich am Zinssatz, den die Deutsche Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnet.
Das Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht den maßgeblichen Zinssatz im Bundessteuerblatt.
Zudem ist er auf der Internetseite der Bundesbank abrufbar: Zur Seite
Der Steuerabzug erfolgt durch das inländische Institut, bei dem das Depot geführt wird. Da die Vorabpauschale ein Steuerertrag ohne Geldfluss ist, hat grundsätzlich der Anleger dem inländischen Institut den Geldbetrag zur Abführung der Steuer zur Verfügung zu stellen. Dies kann auch mittels einer Einzugsermächtigung für ein bei einer anderen Bank geführten Konto erfolgen.
Die depotführende Stelle darf die erforderlichen Beträge zur Abführung der Steuer auf die Vorabpauschale direkt vom Girokonto oder einem anderen Einlagenkonto des Anlegers einziehen – auch ohne dessen Einwilligung. Darüber hinaus kann sie auch mit dem Anleger vereinbarte Kontokorrentkredite für die Begleichung der Steuer nutzen, und zwar bis zur vereinbarten Obergrenze des Kontokorrentkredits.
Der Anleger kann einer Nutzung des Kontokorrentkredits zur Begleichung der Steuerschuld durch die depotführende Stelle widersprechen. Nimmt die depotführende Stelle den Kontokorrentkredit in Anspruch, können für den Anleger Zinszahlungspflichten entstehen. Deshalb hat er ein Widerspruchsrecht. Der Widerspruch hat aber nur Wirkung für die Zukunft. Hat die depotführende Stelle bereits Beträge für die Steuer abgebucht, kann sich der Anleger das Geld nicht mehr durch einen nachträglichen Widerspruch zurückholen.
Ein in ausreichender Höhe erteilter Freistellungsauftrag kann helfen. Weil die Steuer auf die Vorabpauschale jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres abgezogen wird, sollten Anleger ihren Sparerpauschbetrag zuvor prüfen und ggf. rechtzeitig anpassen. Wenn das depotführende Institut das Geld für die Steuer nicht einziehen kann, meldet sie es dem Finanzamt.
Die Anleger versteuern den Veräußerungsgewinn erst beim Verkauf ihrer Fondsanteile. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, wird die bereits versteuerte Vorabpauschale vom Veräußerungsgewinn abgezogen.
Ein Beispiel:
Ein Privatanleger kaufte am 1. Januar 2023 Anteile an einem thesaurierenden Aktienfonds. Am 15. Januar 2024 verkaufte er die Anteile.
Für den Kauf und Verkauf gelten folgende Annahmen:
Kaufpreis der Anteile am 1.1.2023 (= Rücknahmepreis am 1.1.2023) | 100,00 Euro |
Rücknahmepreis der Anteile am 31.12.2023 | 105,00 Euro |
Veräußerungspreis der Anteile am 15.1.2024 | 107,00 Euro |
Basiszins nach Bewertungsgesetz für 2023 | 2,55 % |
Vorabpauschale für 2023 = Rücknahmepreis der Anteile am 1.1.2023 (100 Euro) * 70 % * Basiszins (2,55 %) steuerliche Teilfreistellung für Aktienfonds (30 %) | 1,79 Euro |
= steuerpflichtige Vorabpauschale (nach Teilfreistellung)* | 1,25 Euro |
Der steuerliche Veräußerungsgewinn berechnet sich wie folgt:
Einnahmen aus Veräußerung der Anteile am 15.1.2024 | 107,00 Euro |
./. Anschaffungskosten | 100,00 Euro |
= unbereinigter Veräußerungsgewinn | 7,00 Euro |
./. steuerpflichtige Vorabpauschale für 2023 (in voller Höhe auch bei Anwendung der Teilfreistellung) | 1,79 Euro |
= Veräußerungsgewinn | 5,21 Euro |
./. steuerbefreiter Anteil (nach Teilfreistellung) 5,21 Euro * 30 % | 1,56 Euro |
= steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn | 3,65 Euro |
*Die Vorabpauschale für 2023 gilt am ersten Werktag des folgenden Kalenderjahres, d. h. Anfang 2024 als zugeflossen.
Sollte der unbereinigte Veräußerungsgewinn geringer sein als die steuerpflichtige Vorabpauschale entsteht ein steuerpflichtiger Veräußerungsverlust. Im Falle eines Veräußerungsverlustes erhöht die steuerpflichtige Vorabpauschale den steuerpflichtigen Verlust.
Das o. g. Beispiel dient lediglich der allgemeinen Information und ist nicht als Steuerberatung zu sehen.
Nein. Denn der Basisertrag kann nicht höher sein als der Mehrbetrag, der sich aus dem zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis zuzüglich der Ausschüttungen innerhalb des Kalenderjahres ergibt.
Beispiel:
Angenommen der Basiszins liegt bei 1 Prozent und ein Anleger erwirbt am 1. Januar einen Anteil an einem thesaurierenden Rentenfonds für 100 Euro. Der Anteilpreis am 31. Dezember wäre
a) 99 Euro
b) 100,50 Euro
c) 102 Euro.
Am ersten Wertag des Folgejahres würde dann jeweils folgende Vorabpauschale zufließen:
a) 0 Euro
(100 Euro * 1% * 70% = 0,70 Euro, aber maximal 99 Euro – 100 Euro;
da die Vorabpauschale aber nicht negativ werden kann, sind es 0 Euro)
b) 0,50 Euro
(100 Euro *1%* 70% = 0,70 Euro, aber maximal 100,50 Euro – 100 Euro)
c) 0,70 Euro
(100 Euro *1%* 70% = 0,70 Euro, maximal 102 Euro – 100 Euro)